Nachdem nun mittlerweile bereits 3 Wochen seit unserer Rückkehr vergangen sind, (schwer zu glauben, dem Autor fällt es noch immer schwer den Alltag zu akzeptieren) und wir viele der Eindrücke einigermaßen verdauen konnten, wollen wir noch einmal ein ganz persönliches Fazit der Allgäu-Orient-Rallye 2013 ziehen.
Eins steht fest: Für uns alle war die Rallye sicher das größte Abenteuer unseres bisherigen Lebens, viel mehr noch: Niemand von uns hatte bisher in so kurzer Zeit so viel erlebt. Selbst jetzt fällt es uns immer noch schwer, das was wir erlebt haben zu verarbeiten, bzw. bei Erzählungen darüber nichts zu vergessen. Wir waren und sind immer noch schlichtweg überwältigt! Kurz und knapp, bzw. relativ oberflächlich gesehen fällt unser Fazit also ausschließlich positiv aus. Doch eine nur so kurze Ansicht wär uns doch keinen eigenen Blog-Eintrag wert. Also lasst uns etwas tiefer gehen und die ganze Rallye etwas näher beleuchten.
Bis Istanbul war die Route ja frei gestellt. Die von uns gewählte Route über Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien war ganz pragmatisch die offensichtlich direkteste. Trotzdem hielt auch diese Strecke sehr positive Überraschungen für uns bereit. In Österreich fuhren wir erst über Pässe, dass unsere Motorradherzen (oder auch das Autocross-Herz von Äpfel) bluteten. Die erste Nacht verbrachten wir ebenfalls in Österreich an einem geradezu idyllischen kleinen Bach, einfach herrlich! Im Radio kam STS mit Fürstenfeld, und schon war uns klar, da müssen wir hin! Ab jetzt verbinden wir mit dem Lied ganz eigene Erinnerungen, genial!
Ungarn erwartete uns wie auch schon Österreich mit bestem Wetter, wunderschöner Landschaft und ersten südlichen Einflüssen (Baustil etc.) Auch der Balaton war ein super Erlebnis (der Autor war z. B. zum ersten Mal dort). Mitten in Szeged kehrten wir abends in einem Restaurant ein und genossen dort erstklassiges Essen für sehr günstige Preise! Die Grenze zu Rumänien überquerten wir noch nachts und schlugen kurz danach auch unser Nachtlager auf.
Die Strecke durch Rumänien und Bulgarien war sehr ähnlich aber deswegen nicht minder beeindruckend. Die Straßen entlang der Donau, an Stellen wo die Donau wohl die Breite eines Chiemsee’s annahm waren genauso imposant wie spätere Pass-Strecken.
In der Türkei wurden wir schließlich von einer Bundesstraße begrüßt die einer Deutschen Autobahn glich, zumindest von der Ausbaustufe. Faszinierend dabei: regelmäßige Umkehrpunkte, wie ein Kreisverkehr aufgebaut und mit Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 auf 30! Schnell fiel uns aber auf, dass wir wohl die einzigen waren, die das ernst nahmen 😉 Ebenso erstaunlich: Eine Schnellstraße, vier-spurig, getrennte Fahrrichtungen und auf einmal kommt einem auf der eigenen Fahrbahn ein Gabelstapler oder eine Eselskutsche entgegen! Nicht nur einmal, ist also völlig normal dort.
Der Stadtverkehr ab der Türkei gleicht oberflächlich einem puren Chaos aus unzähligen Autos, kaum Platz, kein Abstand halten und vielen Hupen. Trotzdem der Verkehr läuft, jeder arrangiert sich mit dem anderen, und sei es nur durch Handzeichen, es läuft einfach immer irgendwie weiter.
Dank der im Roadbook gestellten Aufgaben und Ziele fuhren wir vom Westen der Türkei bis an die östliche Grenze zu Armenien und konnten somit die komplette Bandbreite unterschiedlichster Landschaften erleben! Das ganze ist ein Land und unterscheidet sich dennoch dermaßen massiv… Einfach überwältigend! Grünste Wiesen, nahezu irische/schottische Verhältnisse, aber auch Schnee im Osten, Sandstrände an den Küsten, Gebirgslandschaften, Pässe, aber auch Trockenheit und wüstenähnliches in der Mitte und natürlich die beeindruckende Landschaft von Kappadokien.
Die Fährüberfahrt prägte sich ebenso ein, nur war die Landschaft dabei recht „eintönig“ 😉
Israel sahen wir zu 80 % leider nur bei Nacht, da wir 11 Stunden nach Verlassen des Fährhafens (ca. 00:30 Uhr) die Grenze zu Jordanien überquert haben mussten. Die Küste des Toten Meers sahen wir allerdings bei Tag und hier hatten wir Wüste pur! Nur dass diese eben bei hohen Geschwindigkeiten an uns vorbei rauschte.
In Jordanien schließlich hatten wir noch genug Zeit Wüste zu sehen, denn dort gabs Wüste, Wüste und Wüste, kurz mal eine Stadt und dann wieder Wüste. Trotzdem völlig unterschiedlich und einzigartig!
Auf der ganzen Strecke wurden wir fast überall mehr als freundlich empfangen! Das ganze fing schon in Österreich an, als wir beim ersten Abendessen in einer österreichischen Wirtschaft als Unterstützung ein „Fastenbier“ von Stiegl gespendet bekamen, aber natürlich nicht nur eins, sondern 6 x 0,75 l. Weiter gings in Ungarn: Uns fehlte ja noch das Schild für unseren Baum! Wir waren durchaus überrascht, als uns unser Kollege Laszlo Hoffnung machte, dass wir auch am Sonntag in Ungarn das bekommen könnten. Das ganze gipfelte in einem Plan, dass jemand 4 Auto-Stunden von unserer Strecke entfernt das Schild machen würde, und uns ein weiterer das Schild dann bringen würde. Letztendlich klappte es zwar leider doch nicht, dennoch waren wir davon zu tiefst beeindruckt! Wer würde sowas schon in Deutschland machen? Und das noch dazu an einem Sonntag?
Auch in Istanbul konnten wir nur positive Erfahrungen machen! Als uns schließlich auf der Chinesenrallye, mitten in der türkischen Pampa zwei Aluwinkel unseres Dachträgers brachen, erlebten wir ebenso ein unvergessliches Entgegenkommen. Wir hielten am ersten Haus, wo Metall vor dem Haus gestapelt war und es auch nur im Entferntesten eines Schmieds ähnelte. Nachdem wir mit Händen und Füßen, sowie kaputten Teilen das Problem erklärt hatten, nahm der einen gebrochenen Winkel von uns und marschierte los in die Stadt, einfach so! Sein Ziel war der nächste Schmied, der in der Lage war, Alu zu schweißen. Aber nicht wie man meinen könnte in einer Werkstatt, nein nein, auf einer Werkbank mitten auf dem Gehsteig 😉 Lokale Presse sowie das halbe Dorf versammelten sich über kurz oder lang um unsere „Rallye-Boliden“. Und wie immer und überall in der Türkei wurden wir mit kostenlosem Tee versorgt.
Auch mit der Traktorenaufgabe (Aufkleber auf einheimischen Traktoren anzubringen) ging es uns sehr oft ähnlich und außer dem Traktorbesitzer stand mal wieder jeder mit dabei, der gerade in Reichweite war.
Lediglich in Jordanien wurden wir leider Zeuge von manch negativen Aktionen. Die vielen Beduinen in der Wüste sind vermutlich kulturell bedingt relativ egoistisch eingestellt, nach dem Motto „jedem das seine, aber mir das meiste“. Schon als wir dort laut Rallye-Plan die Schule anfuhren um die Schulranzen, die wir vom OK erhalten hatten, zu spenden, fing dort eine richtige Jäger- und Sammler-Moral an. Kinder wurden von Eltern und Betreuern losgeschickt, möglichst viel zu ergattern und stapelten ihre Errungenschaften auf Häufchen oder sogar in einer Box der „Deutschen Post“. Schlimmer wurde es noch beim Spenden der vielen Mini-Baby-Racer in einer Kamel-Rennbahn. Dort versuchten sich auch einige möglichst viele dieser „Bobby-Cars“ unter den Nagel zu reißen und es kam sogar zu „Ausschreitungen“, so dass Steine und Fäuste flogen. Das warf leider auch seine Schatten auf die Siegerehrung, wo doch fast jeder ein leicht mulmiges Gefühl hatte. Und selbst dort trafen wir wieder viele Beduinen, die uns die halben Autos abkaufen, oder besser noch geschenkt haben wollten. Als negatives Highlight erfuhren wir auch noch, dass einem anderen Team in der Wüste das komplette Auto ausgeraubt wurde, inkl. Reisedokumente.
Dies soll sicherlich nichts negatives allgemein über die Menschen in Jordanien bedeuten, jedoch waren unsere Erlebnisse in diesen zwei Tagen etwas unschön, wurden jedoch durch die netten Menschen in Amman größtenteils wieder ausgeglichen.
OK ist ja eigentlich eine Abkürzung für Organisations-Komitee. Was leider öfters zu wünschen übrig lies, war aber gerade die Organisation. Ja wir waren uns zu jeder Zeit bewusst, dass es sich um eine Rallye, um ein Abenteuer handelt, und wir hatten diesbezüglich auch keine Anforderungen, ABER wenn im Roadbook steht, „fragt uns an der blauen Moschee, wie am nächsten Tag der Weltrekord-Versuch mit den Mini-Baby-Racern abläuft“, dann fragt man natürlich auch. Hierbei bekam man leider dann keine Antwort, mit einem leicht vorwurfsvollen Ton, warum man überhaupt fragt?! In Amasya wurde ein Infostand, sowie einheitliche Hotelpreise versprochen, was aber nicht der Fall war. Dass es mit den Preisen nicht klappt, ist ja kein Problem, aber ein versprochener Infostand sollte nun mal auch da sein, selbst wenn man hier nur informiert wird, dass es mit den Hotels nicht geklappt hat. Mit jedem Tag merkten wir mehr, dass das Roadbook mehr ein Anhaltspunkt denn eine Richtlinie ist. Oft war das OK auch einfach zu spät an der Stelle und frühe Teams waren somit schon lang weg, womit keine Chance auf die überraschend eingefügte, und nicht im Roadbook erwähnte, Zusatzaufgabe bestand.
Eine oft gewählte Antwort des OK’s gegenüber anderen Teams zu Fragen war „Wir sind schließlich nicht TUI, das ist ein Abenteuer!“ Das ist wohl wahr, dennoch kann man sich mit dieser Antwort nicht aus jeder Pflicht ziehen.
Am wohl Ärgerlichsten finden wir aber, dass das Roadbook von uns, sowie von vielen anderen viertplatzierten Teams, offensichtlich nicht einmal angerührt, bzw. durchgeschaut wurde. Kurz zum Hintergrund: Bei der Allgäu-Orient-Rallye handelt es sich um keine klassische Rallye mit Zeitmessung, viel mehr ist der Weg das Ziel und es geht letztendlich darum, mit den alten Autos auch anzukommen. Die Wertung wurde ausschließlich anhand der im Roadbook genannten Aufgaben, bzw. der von uns dort eingetragenen Lösungen ermittelt. Deswegen musste das Roadbook auch bereits auf der Fähre von Iskenderun (Türkei) nach Haiffa (Israel) abgegeben werden, um dem OK die Sichtung und die Bewertung zu ermöglichen. Im Roadbook aber findet sich nicht mal ein Haken des OK’s, geschweige denn eine Korrektur, was richtig, falsch oder nicht ausreichend war. Das Roadbook hatte noch nicht mal ein Eselsohr mehr als zu vor. Nicht dass wir das haben wollten, aber es hätte zumindest einen Hinweis darauf gegeben, dass das Roadbook angeschaut wurde. Dies lässt natürlich auch durchaus Zweifel an der letztendlichen Wertung aufkommen.
Mit weitem Abstand war das für uns beste Erlebnis, als wir die von uns selbst organisierten, gesponserten 18 Schulranzen, vollgestopft mit Schulzubehör, in Haleföglu im Osten der Türkei an eine Schule übergaben. Die Straßen zu dem Ort glichen mehr einem festgefahrenen Weg in einem deutschen Wald. Unwegsam und eigentlich schon fast zu grenzwertig für unsere BMWs. Im Ort selbst war die Schule auf einem Gelände mit eingefallenem Haus, zusammengebrochenem Spielgerüst und einem Hof, den man bei uns vielleicht in einem alten Aussiedlerhof findet. Die Freude die den Kinden ins Gesicht geschrieben stand hat sich aber bei uns in die Erinnerung eingebrannt. Als wir die Schultaschen schließlich auspackten und im Lehrerzimmer auf den Tischen ausbreiteten, wurde uns zum ersten Mal so richtig klar, wieviel wir dabei hatten! Im Gegensatz zu den großen von der Rallye geplanten Aktionen, die meist viel mit Presse und Bürgermeistern organisiert waren, war dies eine ganz spontane Aktion und so sind wir uns sicher, dass hier jedes einzelne Stück tatsächlich an der richtigen Stelle gelandet ist! Danke nochmals an Cat, die das ganze für uns erst durchs Dolmetschen ermöglicht hat!
Als Team das zum ersten Mal dabei war, wussten wir natürlich relativ wenig, wie die Rallye abläuft, und so verlässt man sich eben auf das Roadbook und das OK. Im Gespräch mit den Oilfingers, wovon einer bereits zum dritten Mal dabei ist, stellten wir auch fest, dass sich gerade hier eine gewisse Gelassenheit einstellt, gegenüber Aussagen des OK’s und den Aufgaben, bzw. Angaben des Roadbooks. Das perfekte Motto für die Rallye ist mitfahren und sich überraschen lassen! Egal was irgendwo geschrieben steht, oder gesagt wird, einfach nicht drauf verlassen und seinen eigenen Spaß haben! Genauso würden wir auch jede weitere Rallye angehen, das haben wir aus unserer ersten Rallye-Teilnahme gelernt.
Trotzdem fällt unser Gesamt-Fazit absolut positiv aus! Wer kann schon von sich behaupten in 4 Wochen 9 Länder über 2 Kontinente und insgesamt über 8300 km zurückgelegt und dabei 4 Meere passiert zu haben. Die Erlebnisse und die vielen Eindrücke in dieser eigentlich recht kurzen Zeit konnten wir kaum verarbeiten. Genau genommen sind wir immer noch dabei und werden mit Sicherheit noch lange davon zähren.
(zumindest bis jetzt 😉 )
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es war eine Freude, Euren Bericht zu lesen! Herzlichen Dank dafür! Sicherlich ist es für uns ein sehr guter Gedankenanstoß, denn wir sind dieses Jahr dabei. Wir kommen zu Eurem Vortrag am 08. März !
Das nenn ich mal eine super Zusammenfassung! Freu mich schon auf die Dosenbierparty! 😉 Gruß der OILfinger